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Merkmale wirksamer Lernszenarien

von Daniela Blaser

Ob On- oder Offline: Lehren und Lernen bleiben dasselbe.

In Zeiten von Corona und den vielen Herausforderungen, die dadurch auch an unsere Arbeit als Dozierende gestellt werden, ist es gerade für den Lehralltag wichtig, sich wieder einmal in Erinnerung zu rufen, worum es beim Lehren und Lernen genau geht. Denn dies bleibt mit oder ohne Corona, online oder offline dasselbe.

Was ist das Ziel guter Lehre?

Die einfachste Antwort auf diese Frage: dass die Lernenden danach mehr wissen und können als vorher. Und das läuft nicht über reines Einprägen und Aufsaugen von möglichst optimal vorbereitetem Lernstoff. Denn Lernen soll immer ein bisschen anstrengend sein, sonst ist es nicht nachhaltig. Die etwas ausführlichere Antwort auf obige Frage lautet also folgendermassen:

Gute Lehre bringt Lernende dazu:

  • Grundlagenwissen zu erarbeiten und abzuspeichern
  • darauf aufbauend Muster zu erkennen
  • Hypothesen, Annahmen, Vorstellungen, Voraussagen etc. zu entwickeln und diese zu prüfen
  • die erworbenen Erkenntnisse auf andere Sachverhalte zu übertragen.

In diesem Prozess bilden die Lernenden neue Denkmodelle und das ist der Kern guter Lehre. Durch Denkmodelle sind wir in der Lage nicht an Einzelbeispielen festzuhängen, sondern über diese hinauszudenken, also die Erkenntnisse von Einzelbeispielen auf das grosse Ganze zu übertragen.

Wie kann ich die Bildung von neuen Denkmodellen unterstützen?

Auch hierauf gibt es eine einfache Antwort: indem ich gute Fragen stelle, die Erklärungen und nicht nur Beschreibungen provozieren (siehe: Das neue Lernen – heisst Verstehen von Henning Beck, 2020). Dadurch kann ich die Neugier wecken und die Lernenden zum selber Denken anregen. Und das bleibt dasselbe, ob ich das nun online oder offline tun muss.

Wie könnte das also konkret aussehen?

Hierzu sind die folgenden Schritte empfohlen:

1. Neugier wecken und zum eigenen Nachdenken anregen:

Ich könnte meine Lerneinheiten mit einem konkreten Problem, einem konkreten Sachverhalt beginnen, den ich als "ungelöstes Rätsel" präsentiere (siehe z.B. auch Didaktipps: Erzählungen und Szenarien für die Hochschullehre nutzen und «Das ist doch kein Problem!?»). Auf die aktuelle Situation bezogen könnte dies z.B. folgendes sein: "Stellen Sie sich vor, ich bin ein Virus und möchte die Welt erobern. Was muss ich dafür tun? Wie muss ich sein? Was sind meine kurzfristigen und langfristigen Ziele? Wie gehe ich vor?".

2. Vorwissen nutzen, um Hypothesen zu generieren

Um dieses "Rätsel" zu lösen, bitte ich die Lernenden in einem ersten Schritt aufgrund ihres Vorwissens Vermutungen, Hypothesen zu formulieren und diese zu begründen. Im Online-Setting könnte ich in Ilias eine entsprechende Übungseinheit einrichten. Dabei könnte ich ihnen auch zusätzliche Informationsquellen zur Verfügung stellen, wie z.B. Texte, Links, Videos, Podcasts etc.

3. Hypothesen prüfen und anpassen

In einem nächsten Schritt sollen die Hypothesen überprüft werden. Dies geht am einfachsten, indem ich mich mit jemandem darüber austausche. Im Online-Setting könnte ich bei der Ilias-Übung Peer-Feedback einbauen (siehe auch Didaktipps: Peer-Feedback einfach administrieren: ILIAS-Tool «Übung» und Individuelle Rückmeldungen dank Peer-Feedback). Ich könnte die Lernenden sich aber auch in einem eigenen Gruppenraum auf Ilias austauschen lassen (z.B. mit Etherpad, vgl. Didaktipp: Texte gemeinsam online verfassen) oder ihnen die Wahl des Austauschmediums gänzlich überlassen. Praktisch sind hier Kleingruppen, damit ein effizientes Austauschen und Zusammenarbeiten möglich bleibt. Praktisch ist auch, wenn die verschiedenen Kleingruppen unterschiedliche Bereiche des "Rätsels" bearbeiten, die alle notwendig sind um das "grosse Rätsel" zu lösen. Dadurch wird die Relevanz der einzelnen Gruppen erhöht.

4. Klarheit schaffen

Am Schluss geht es darum, das "Rätsel" zu lösen. Die Neugierde der Lernenden wurde geweckt, sie haben sich intensiv mit der Lösung beschäftigt – sie sind nun vorbereitet, um neues Wissen aufzunehmen, in ihr Wissen zu integrieren und dadurch nachhaltig zu lernen. In diesem Schritt geht es also darum, die erarbeiteten Lösungen aufzugreifen und mit den Aspekten, die mir als Lehrende wichtig sind, zu vervollständigen und zu erweitern.

  • Dies könnte beispielsweise durch eine Abschlusspräsentation durch die Lernenden geschehen. Im Onlinesetting könnte dies ein Slidecast sein (vgl. Didaktipps: Schneller SlideCast mit PowerPoint) , ein kurzes Video (z.B. ein Screencast, vgl. Didaktipp: ScreenCasts) oder eine einfache Audioaufnahme, die allen zur Verfügung stehen (vgl. Coronavirus - Informationen rund um die Lehre).
  • Ich könnte aber auch einen Abschlussbericht einfordern oder ein anderes Produkt, das zur Fragestellung des "Rätsels" passt. Danach mache auch ich eine Abschlusspräsentation o.ä., in der ich auf die eingereichten Arbeiten eingehe, wichtige Inhalte dazu präsentiere etc.
  • Ich könnte jedoch auch eine Musterlösung zu dieser Aufgabe bereitstellen, mit welcher die Lernenden individuell ihre Lösung abgleichen. Ich könnte sie dann bitten, ihre Erkenntnisse aus diesem Vergleich festzuhalten und mir wieder einzureichen.
  • Gleichzeitig kann ich sie auch bitten, zu reflektieren, wie sie vorgegangen sind, was sie anders machen würden, was sie beibehalten würden etc. Also was sie nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch und bezüglich ihrer Fähigkeiten etc. gelernt haben. Durch diese metakognitive Reflexion bilden die Lernenden nicht nur fachlich neue Denkmodelle sondern auch überfachlich, wodurch nachhaltiges Lernen erfolgreicher wird.

Bei diesem Schritt kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen oder auch einfach auf meine persönlichen Stärken und Vorlieben der Wissensvermittlung zurückgreifen.

5. Verteiltes Lernen und Lerntests

Damit die erarbeiteten Inhalte, Fähigkeiten und Denkmodelle fest im Gehirn verankert werden, lohnt es sich, sie in unterschiedlichen Abständen aufzufrischen. Dies kann am einfachsten durch Lerntests oder entsprechende Verknüpfung der Inhalte erreicht werden. Auch wenn Lerntests nicht sehr beliebt sind, stellen sie doch den effizientesten Mechanismus für nachhaltiges Lernen dar (vgl. Rodiger & Karpicke, 2006).

Das Beste zum Schluss!

Aus der Forschung weiss man, dass ein sehr wichtiger Faktor für wirksame Lehre in der Begeisterung und Klarheit der Dozierenden liegt (vgl. visiblelearningmetax.com). Und dies ganz unabhängig davon, ob on- oder offline: der wichtigste Faktor, wie gut die Lernenden tatsächlich lernen, bleibe immer noch ich und meine Begeisterung für das Fach, den Lehrinhalt, den Lernstoff sowie die Klarheit, in der ich den Stoff präsentiere. Also lassen Sie uns diese Begeisterung anzapfen und in die neuen Herausforderungen integrieren!

Und wenn es darum geht, speditiv auf Fernlehre umzustellen, hier eine konstruktive und empfehlenswerte Schritt-für-Schritt-Anleitung: Going Online in a Hurry: What to Do and Where to Start.