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Wozu noch Vorlesungen?

von Thomas Tribelhorn

Für manche ist die Vorlesung ein Auslaufmodell. Richtig angewendet kann sie auch zweckdienlich sein.

Sorgenkind Vorlesung

Gemäss dem neuseeländischen Bildungsforscher John Hattie bleibt aus den ersten acht Minuten einer Vorlesung am meisten hängen - und nach einer Stunde erinnert man im Schnitt gerade mal noch drei Fakten. Das wär’s dann auch schon, falls der Vortrag nicht das eigene Weltbild komplett verändert hat. In der Tat ist die Vorlesung mehrere hundert Jahre alt und entstammt der Zeit vor dem Buchdruck, als Gelehrte ihren Wissensschatz vorlasen und die Zuhörenden ihre Mitschriften verfassten. Es stellt sich darum die Frage, ob dieses Unterrichtsformat mangels erkennbarer Wirkungen nicht ganz abgeschafft werden sollte - obgleich sie an Hochschulen noch stark verbreitet ist.

Funktionen der Vorlesung

Ergebnisse aus rund drei Jahrzehnten Lernforschung belegen deutlich, dass wir uns endgültig von der Idee des Nürnberger Trichters verabschieden sollten. Nach einem 45-minütigen Monolog sind die präsentierten Inhalte längst nicht als Problemlösewissen verfügbar. Dennoch gibt es einige Funktionen, die eine Vorlesung im Kontext eines Studienprogrammes einnehmen kann. Vier der bekanntesten sind:

Übersicht und Orientierung:

In Konzeptvorlesungen kann die Fachlandkarte ausgelegt werden. Das grobe Raster, in das sich die Unterthemen eingliedern lassen, verschafft den Studierenden Orientierung, um sich die Details im Selbststudium zu erarbeiten.

Schwerpunkte und Aktualität:

Lehrende können über die neuesten Erkenntnissen im Fachgebiet informieren. Ausserdem können sie durch gezielte Hinweise rhetorische Bojen in die Informationsflut setzen.

Praxisbezug und Problemorientierung:

Theorie wird besser erinnert, wenn sie anhand konkreter und verständlicher Beispiele erläutert wird - am besten aus der eigenen Erfahrung der Vortragenden. Problemlagen oder konkrete Fragestellungen an den Anfang zu stellen zählt zu den Wirkfaktoren guter Rhetorik.

Gemeinschaftsbildung und Motivation:

Durch Engagement können Lehrende in einer Vorlesung viele Studierende für das eigene Fach begeistern. Die Zusammenkunft vieler im Hörsaal kann zudem zur Förderung des Zugehörigkeitsgefühls der Studierenden genutzt werden - ein weiterer wichtiger Motivationsfaktor für das Studium.

Bitte beachten!

Wenn es schon eine Vorlesung sein muss, so sollten wenigstens ein paar Grundsätze befolgt werden.

Orientierung:

Keine Flut von Details. Lassen Sie das Publikum wichtige Grundzüge und Prinzipien erkennen. Setzen Sie kraft Ihrer Expertise Schwerpunkte.

Aktivierung:

Die Zwanzig-Minuten-Regel wurde schon Ende der 60er-Jahre publiziert und besagt, dass die Behaltensleistung des durchschnittlichen Menschen nach einer halben Stunde rapide abfällt. Nach spätestens zwanzig Minuten also eine kurze Kleingruppendiskussion einschieben.

Veranschaulichung:

Keine isolierten Fakten über dem Publikum ausschütten. Mit konkreten Situationen, Fragestellungen, Analogien, Geschichten oder Problemen einsteigen und die Fakten damit kontextualisieren. Nutzen Sie als Lehrperson dazu Ihren Erfahrungsschatz.

Weitere Hinweise

Aktivierung und Rhythmisierung

Literaturhinweise

  • Bligh, D.A. (2000). What's the Use of Lectures? San Francisco: Jossey-Bass.
  • Race, P. & Brown, S. (2001). The Lecturer's Toolkit: A Practical Guide to Learning, Teaching and Assessment. London: RoutledgeFalmer
  • Gudjons, H. (2011).  Frontalunterricht- neu entdeckt: Integration in offene Unterrichtsformen (3. aktual. Aufl.). Bad Heilbrunn: Klinkhardt